Ja, ich stimme zu.

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Ottmar Hörl, „Joseph Beuys“, 2009,

grauer Kunststoff, 48 x 35 x 41 cm,

mit MDF-Sockel (Gesamthöhe: 110 cm),

Foto: Werner Scheuermann

 

Auflage: 64 Exemplare,

Stückpreis: 1.900 € zzgl. Versandkosten

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Peter Weibel

 

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Joseph Beuys-Büste

von Ottmar Hörl

 zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys

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Details

Das Magazin und die App für Kunst und Reisen

Ein Rückblick von Peter Weibel

„Renaissance 3.0“

Fast 25 Jahre lang war Peter Weibel für die künstlerische ­Leitung des ZKM in Karlsruhe verantwortlich. In dieser Zeit ist es ihm mit seinem interdisziplinären Team gelungen, dieses Haus zu einem der wichtigsten Ausstellungsorte weltweit zu etablieren. Das ZKM bleibt deshalb ein zentraler Ort − das kulturelle Gedächtnis unserer Generationen −, an dem die Wechselwirkungen zwischen Technik, Wissenschaft und Kunst dokumentiert, ausgestellt und bewahrt werden. Peter Weibels visionärer Blick auf Gegenwart und Zukunft hat Standards gesetzt, die es jetzt an dem doch für Deutschland einmaligen kulturellen Wissensgenerator ZKM zu erhalten und weiterzuentwickeln gilt.

 

Jetzt ist Peter Weibel am 1. März gestorben und seine Mit­arbeiter und Mitarbeiterinnen werden alles daran setzen, in seinem Sinne nicht nur sein letztes Ausstellungsprojekt „Renaissance 3.0“ fertigzustellen, sondern auch ganz in ­seinem Geiste weiterzuarbeiten. Eine seiner großen Fähig­keiten bestand ­darin, seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stets zu Höchstleistungen zu motivieren, so, wie er es noch in ­seinen letzten Ausführungen beschrieben hat, die im ­Fol­genden posthum abgedruckt sind. Nun ist Peter Weibel – immer auf der Überholspur des Lebens – in ein anderes Universum eingetreten. Die Welt wird ihn vermissen.

 

Anita Beckers

 

 

„net condition“

 

Das bürgerschaftliche Engagement der Zivilgesellschaft im Einklang mit hellsichtigen und kulturaffinen Politiker:innen in Stadt und Land führte in den 80er Jahren zur Gründung des ZKMs, des Zentrums für Kunst und Medien − als Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb der Städte. Es war dann die Leistung einer der größten deutschen Gründerfiguren nach 1945, nämlich Heinrich Klotz, der nach dem deutschen Architekturmuseum Frankfurt auch die Hochschule für Gestaltung und das ZKM gegründet hat. Ursprünglich war ein Gebäude von Rem Koolhaas als Ort des ZKM geplant, aber die Stadt entschied sich dann aus mehreren Gründen für die denkmalgeschützte Industrieruine IWKA, in welcher das ZKM, die HfG und die Städtische Galerie Platz fanden. Der Hallenbau war schon von der freien Kunstszene mehr illegal als legal für Ateliers und Ausstellungen okkupiert worden, bevor die Stadt ihr Augenmerk darauf lenkte.

In dieser Zeit der Besetzung des Hallenbaus durch Künstler war Karlsruhe tatsächlich eine Großstadt, denn nur Metropolen bringen alternative Kunst­szenen hervor und nicht nur ein Amt für Kultur. Das Kulturamt der Stadt Karlsruhe hat aber die Anfänge der ­Zukunft im Hallenbau erkannt und damit den Grundstein für das ZKM gelegt. Leider starb Heinrich Klotz im Jahre 1999 an Krebs nach ­einem unermüdlichen Kampf für das ZKM. Ich war sein Wunschkandidat für die Nachfolge und die Beru­fungs­kommission aus Vertretern des Landes und der Stadt war glücklicherweise autonom genug, mich gegen politische ­Widerstände als Vorstand des ZKMs durchzusetzen. Meine erste Ausstellung im Jahre 1999 war „net condition“, weil ­damals die Mehrheit des Kunstbetriebes noch glaubte, das ­Internet sei eine vorübergehende Modeerscheinung. Der ­Katalog zur Ausstellung erschien bereits beim wichtigsten Wissenschaftsverlag der Welt, bei MIT Press. Damit begann eine langjährige Zusammenarbeit, die mehr als 15 Bücher produzierte und die einmalig in Europa ist. Es gibt kein Museum in Europa, dessen Ausstellungen von derart hoher wissenschaftlicher Qualität waren, dass MIT Press sie produzieren konnte. Gemeinsam mit Koryphäen ihres Faches wie Bruno Latour oder Hans Belting setzte das ZKM mit thematischen Gedankenausstellungen Standards.

 

Die Anfangsphase war schwierig. Auf der einen Seite das Museum für Neue Kunst, auf der anderen Seite das ­Museum für Medienkunst. Der von Klotz eingesetzte Direktor des MNK | Museum für Neue Kunst, Götz Adriani, wollte das MNK zu einem selbständigen Museum machen, also es vom ZKM trennen. Der von der Landesregierung in der ­Absicht eingesetzte Wissenschaftsrat, mich und das ZKM abzu­wickeln, hat glücklicherweise die Kompetenzen des ZKM erkannt und anerkannt und eine Fusion von MNK und ­Medienmuseum empfohlen, die seither existiert. In der ­Folge habe ich die separierten Institute für Musik und ­Akustik bzw. für Bildmedien ebenfalls im Hertz-Labor ­zusammengeführt. Das ZKM ist zwar ein Museum und als solches sammelt es, ­archiviert es, stellt es Kunstwerke aus, aber es nennt sich Zentrum, weil es mit Gastkünstler:innen und dem eigenen Team selbst mediale Kunstwerke herstellt, entwickelt und produziert. Das Hertz-Labor ist gewisser­maßen das Herz des ZKMs neben dem Institut für antiquierte Video­systeme und dem ­Videostudio. Viele ­Museen werden geführt wie ein Amt. Ich habe das ZKM geführt wie ein Team, in dem ich zu den drei Buchstaben von „Amt“ noch den Buchstaben „E“ wie Egalität oder Energie hinzunahm. Das ZKM-Team besteht und ­bestand aus ­ungewöhnlichen Individuen, aber weil sie so ungewöhnlich sind, konnten sie ein Team bilden. So wie eine Fußballmannschaft aus vielen Stars bestehen kann, aber kein Spiel gewinnt, wenn die Stars nicht ein Team des Zusammenspiels bilden. Ich war gewissermaßen nur der Coach von der Seitenlinie. Ich vertraute den Kompetenzen der Mitarbeiter:innen und erhöhte die Freiheitsgrade.

Vor allem habe ich von Anfang an klar gemacht, dass wir unsere Existenzberechtigung den Künstlern und dem Publikum verdanken. Dass wir also den Künstlern und dem Publikum dienen müssen, dass also ein Museum als „Mission Statement“ den Dienst an Menschen hat. Mit diesen Voraussetzungen ­begann eine Serie von wegweisenden Ausstellungen, die, wenn sie Einzelausstellungen waren, „career changing ­exhibitions“ waren, wie die New York Times schrieb. Die thematischen Ausstellungen hatten das Ziel, die wichtigsten Kunstbewegungen nach 1945 wie Aktionskunst, Lichtkunst, Sound Art, Medienkunst, ­abstrakte Skulptur etc. in enzy­klopädischen Ausstellungen und Katalogen darzustellen. Damit das möglich war, habe ich auch eine Publikationsabteilung im ZKM gegründet.

 

Die Anfänge des ZKMs waren bereits die Anfänge der ­Zukunft. Der Zukunft ist auch meine letzte Ausstellung „Renaissance 3.0“ gewidmet. Nach der arabischen Renais­sance (800−1200) und der italienischen Renaissance (15. bis Anfang 17. Jahrhundert) haben wir nun die Chance einer ­neuen Renaissance im 21. Jahrhundert, die darin besteht, dass heute Wissenschaftler:innen und Künstler:innen sich einen gemeinsamen „Pool of Tools“ teilen, und weil die Medienkunst begonnen hat, wie die Wissenschaft mit ihren Apparaten, in das Reich der „res invisibiles“ einzudringen. Bisher haben sich ja die Malerei und Skulptur auf den ­Horizont der natürlichen Wahrnehmung beschränkt. Die Wissenschaft beginnt hingegen jenseits der Perzeption. In der Medienkunst stehen Experiment und Theorie ebenso im Zentrum wie in der Wissenschaft. Renaissance heißt nichts anderes als Verwissenschaftlichung in der Kunst, siehe den Satz „Se la pittura è scienza o no“ von Leonardo da Vinci in ­seinem Traktat der Malerei „Trattato della pittura“ (um 1490), zu Deutsch: „Ist die Malerei eine Wissenschaft oder nicht?“

 

Zur Eröffnung der Ausstellung gibt es ein Sympo­sium, zu dem bedeutende Kulturtheoretiker wie Siegfried Zielinski, Horst Bredekamp und Bazon Brock und die vier Nobelpreisträger Stefan Hell, Christiane Nüsslein-Volhard, Anton Zeilinger und Adam Riess sprechen werden.

 

Nach meinem Ausscheiden aus dem ZKM am 31. März 2023 werde ich nach Wien gehen und mich aus dem Kunst­betrieb zurückziehen. Ich habe ja als Kurator und Theoretiker 60 Jahre lang anderen Menschen geholfen, ihre Werke zu ­realisieren und zu präsentieren. Nun will ich mich ausschließlich meinen eigenen literarischen, philosophischen und künstlerischen Ideen und deren Verwirklichung widmen.

 

Peter Weibel

(Originalfassung 15.02.2023)

 

25. März 2023 bis 7. Januar 2024

Renaissance 3.0 –

Ein Basislager für neue Allianzen

von Kunst und Wissenschaft im 21. Jahrhundert

www.zkm.de

 

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3/2023

 

 

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