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Künstlerporträts
Bildergalerie
Cornelia Schleime
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mit Bildlegende
Cornelia Schleimes Malerei ist ihren Prinzipien in den letzten 30 Jahren treu geblieben. Figuren, Gesichter und Hintergründe wirken auf ihren großformatigen Leinwänden sorgfältig grafisch ausformuliert, ein wenig wie suggestiv verfremdete Fotografien mit einer kalkulierten Blickfanglogik.
Die Bildmotive selbst sind, wenn man den Worten der Künstlerin folgen will, im Kontrast dazu der Welt ihres Unterbewusstseins entstiegen, einer surrealen Sphäre der Alpträume, von der Schleime behauptet, sie nicht anders als mit der klassizistischen Strenge ihrer Malerei bändigen, „einfrieren“, zu können.
Das Unbewusste ist bei Schleime aber erkennbar gesättigt von unzähligen Museumsbesuchen und lässt ihre Bilder mitunter eher wie Zitatcollagen der figurativen Malerei der letzten 300 Jahre wirken, in der Träume, Alpträume zumal, mit Vorliebe kultiviert wurden. In ihren mit Schellack überzogenen Papstbildern reagierte sie Anfang der 2000er-Jahre auf die Velázquez-Adaptionen des frühen Francis Bacon; manche ihrer seltsamen Mischwesen könnten auch von den französischen Symbolisten des 19. oder direkt von der spanischen Malerei des 18. Jahrhunderts, allen voran von Goya angeregt worden sein.
Die Botschaften, die sie diesen eingefrorenen Träumen mitgibt, wirken dagegen durchaus handfest: „Für den, der von mir will, was ihm nicht zusteht“, so lautet der Titel einer der 20 Malereien, die die Städtische Galerie in Dresden als Revue der letzten 30 Jahre zeigt: Die Bildfläche wird fast vollständig vom sehr grafisch gehaltenen Gesicht einer jungen Frau mit streng gescheiteltem dunklem Haar ausgefüllt, die einem Filmplakat der 1930er-Jahre entsprungen sein könnte und mit einer Pistole direkt auf die Betrachterinnen und Betrachter zielt, während sich hinter ihrem Kopf der expressiv-verhuschte Schatten eines Hitchcock-würdigen Raben erhebt.
Da Schleime alle gedachten Botschaften aus ihrer Malerei heraushalten will, fallen feministische oder #metoo-Deutungen für das Motiv aus; als Chiffre für die unverfügbare Kunst, die nur ihren eigenen Gesetzen gehorcht, ein Lebensthema Schleimes, zeigt es sich auch in anderen Bildmotiven.
Im „Selbstportrait als Schaf“ von 2010 erscheint die Malerin als Vamp im geblümten Bikini mit Zigarillo in der Hand und ironisiert mit einer Schafsmaske die Rolle als Opferlamm; beim „Rotkäppchen“ von 2020 sehen die Betrachterinnen und Betrachter nur den Rücken einer Reiterin mit roter Kappe und das Hinterteil ihres Pferdes, von dem aus sie ein weißer Hase erschrocken anglotzt.
Schleimes Ablehnung alles Gedachten und Erzählten in der Malerei, ihre Beschwörung der „Magie des Bildes“, der Dresdner Malerschule, die sie an der dortigen Kunstakademie während ihres Studiums zwischen 1975 und 1980 geprägt hat, durchzieht ihr Werk wie ein Leitmotiv und wie eine immer aufs Neue formulierte Widerstandsgeste. Sowohl in der DDR als auch gegenüber der „malereifeindlichen“ Konzeptkunst, die sie nach ihrer Ausreise 1984 in Westberlin vorfand, sieht sich Schleime zur Verteidigung ihrer persönlichen und künstlerischen Autonomie veranlasst. Die DDR sei für sie wie ein Gefängnis gewesen, sagt sie, die Ausreise eine Befreiung. Doch auch im Westen kämpft sie um das Existenzielle der Kunst, um ihr Recht als Künstlerin, nichts erklären und nichts bedeuten zu müssen. Das Unzeitgemäße ihrer Malerei formuliert daher bewusst einen konservativen Anspruch an das künstlerische Handwerk und wartet zugleich mit anarchischen Gesten auf; gibt sich formalistisch und zugleich höchstpersönlich und lebt, alles in allem, gerade aus seinen unerklärten Widersprüchen.
Das lenkt den Blick noch einmal auf ihr weit weniger bekanntes Frühwerk: vor allem auf frühe Filme und Fotografien von Performances, die in den frühen 1980er-Jahren entstanden sind, als Schleime in der DDR schon mit Repressalien zu kämpfen hatte. Sie werden, zeitgleich zur Ausstellung in der Städtischen Galerie, im Dresdner Albertinum gezeigt. In ihren „Selbstinszenierungen“ reagierte Schleime damals direkt auf ihre Situation in der DDR, da sie bereits Ausstellungsverbot hatte und unter Beobachtung stand. Auf Fotografien zeigt sie sich mit einer durchsichtigen Plastiktüte über dem Kopf, als ob sie erstickt werden soll, oder nackt und gefesselt als „Bondage“-Girl. Sie hat Teile der Spitzelprotokolle, die über sie angefertigt wurden, später mit eigenen Fotografien und Zeichnungen versehen. Damit liefert die kleine Schau im Albertinum eine wichtige historische Grundierung für Schleimes künstlerische Motive.
Ihr malerisches Frühwerk, das sie in der DDR hatte zurücklassen müssen, war nach Schleimes Ausreise zerstört worden. Mit ihren seitdem im Westen entstandenen Malereien versuchte sie, dieses frühe Schaffen gleichsam „nachzuholen“, wobei ihre Malerei durch den Einfluss des westlichen Kunstbetriebes allmählich „härter und cooler“ geworden sei, wie sie sagt.
Die gefrorenen und gebändigten Träume ihrer Bilder reflektieren eine Gewalterfahrung und einen Lebensverlust, die sich nicht kompensieren lassen; doch am Ende zeigt sich ihre Malerei als behütend und bewahrend, viel mehr, als es ihre aufgeraute Oberfläche auf den ersten Blick vermuten lässt.
Carsten Probst
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3/2023