Unsere Website verwendet notwendige Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu erhöhen. Weitere Informationen darüber finden Sie in unserer Datenschutzerklärung. Mit der Nutzung dieser Seiten geben Sie Ihr Einverständnis, dass wir notwendige Cookies verwenden.
Ja, ich stimme zu.
Peschkes Points of Interest
von Marc Peschke
Fotos: © Marc Peschke
Die Allgäuer und Ammergauer Alpen, Badeseen in nächster Nähe, der türkisfarbene Lech, eine romantische Altstadt, „Märchenkönig“ Ludwig II. und sein Schloss Neuschwanstein, das von seinem Vater, König Maximilian II., im 19. Jahrhundert zur Sommerresidenz umgebaute neugotische Schloss Hohenschwangau und die barocke Wieskirche in der Nähe – all das: weltbekannte kulturelle und landschaftliche Glanzlichter. Wir finden hier im Ostallgäu an der Grenze zu Oberbayern Traumrouten für Wanderer und Radler. Es gibt Skipisten, Langlaufloipen, Touren für Schneeschuhwanderer, genauso wie Museen und historische Orte, die zum Allerfeinsten gehören, was das Urlaubsland Deutschland zu bieten hat.
Die Urlaubsregion Füssen und Schwangau im Allgäu lockt Menschen aus aller Welt an. Die Gegend ist kein Geheimtipp, sicher nicht, sondern ein Reise-Klassiker. Eine Gegend, die man gesehen haben muss. Dazu braucht man kein Auto, so einladend sind all die Radwege im flachen Voralpenland und die Wanderrouten in den unvermittelt aus der Ebene wachsenden Bergen. Zwischen Füssen, Königsschlössern und Forggensee fanden wir unser magisches Dreieck.
Die erste Erkundung der Altstadt von Füssen: Rund 16.000 Einwohner hat das Städtchen am Lech, das direkt an der Grenze zu Österreich liegt. Füssen ist eine idyllische Alpenstadt, umstanden von Bergen. Die höchstgelegene Stadt in Bayern ist ein Drehkreuz der alten Handels- und modernen Ferienstraßen: Die Romantische Straße, an deren südlichem Ende wir uns hier befinden, die Deutsche Alpenstraße und die Römerstraße Via Claudia Augusta zwischen Norditalien und der Donau treffen sich hier. Ja, die Römer haben die Gegend bereits als bezaubernd befunden und hier ein Lager errichtet. Und auch wir lassen uns von der Romantik Füssens verzücken: Verwinkelt, kleinteilig zeigt sich die Stadt. Gotische Bürgerhäuser, barocke Kirchen, alles in pastelligen Farben. Die Dichte italienischer Restaurants und Eiscafés ist legendär. Das hat Tradition, die Nähe zu Italien – nach Sterzing in Südtirol sind es nur 160 Kilometer – hat die Stadt geprägt.
Füssener TotentanzFüssen ist eine Stadt mit langer Geschichte. Die ehemalige Benediktinerabtei St. Mang wurde im 9. Jahrhundert gegründet. Die barocke Klosteranlage (nach Plänen von Johann Jakob Herkomer) liegt fantastisch über dem Ufer des Lechs. Hier befinden sich heute die Stadtverwaltung und das Museum der Stadt mit dem Kaisersaal und der feinen barocken Bibliothek. In der Ostkrypta der Basilika finden wir uralte romanische Fresken der Reichenauer Schule. Die barocke Annakapelle beherbergt den „Füssener Totentanz“ – ein Gemäldezyklus aus dem frühen 17. Jahrhundert, der die Macht des Todes über die Menschen eindringlich versinnbildlicht.
Jetzt aber hinauf: Hoch über der Stadt Füssen thront auf einem Bergsporn das „Hohe Schloss“. Schon im 13. Jahrhundert wurde der Bau begonnen. Einst Sommerresidenz der Fürstbischöfe von Augsburg, heute Filialgalerie der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und Städtische Galerie. Der spätgotische Bau ist schon durch seine Lage spektakulär. Vor allem aber ist der Bau bekannt für seine grandiose, illusionistische Malerei mit Scheinerkern und Scheinfenstern im Innenhof. Von der Stadt führen die Wege schnell in die Allgäuer Bergwelt. Und natürlich – jetzt schon auf Schwangauer Gemarkung, im Dorf der Königsschlösser – auch zum berühmten „Märchenschloss“ Neuschwanstein und zu dem vis-à-vis gelblich leuchtenden Schloss Hohenschwangau, wo König Ludwig II. viele Kindheits- und Jugendtage verbrachte.
In und um Füssen vernehmen wir Sprachen aus aller Welt. Menschen aus aller Herren Länder wollen diese Bauwerke sehen, die Königsschlösser in der Traumlandschaft. Spleen eines realitätsfernen Fantasten? In jedem Fall große, ganz große europäische Kunstgeschichte. Beide Schlösser muss man gesehen haben. Sie sind heute Garant für das wirtschaftliche Florieren der Stadt. Schon sieben Wochen nach Ludwigs frühem Tod, dessen Ursache bis heute Rätsel aufgibt, wurde Neuschwanstein gegen seinen zu Lebzeiten geäußerten Willen für den Fremdenverkehr freigegeben. In jüngster Zeit kommen nach den Japanern nun immer mehr chinesische Touristen, erfahren wir. Dazu Amerikaner, Italiener, Spanier.
Die Bergwelt erkundet man mit einer guten Wanderkarte, welche die Touristenbüros in Füssen und Schwangau anbieten. Eine kleine Tour ist die Lechfall-Runde, bei der man ebenjenen spektakulären Lechfall passiert, wo sich der im Vorarlberg entspringende Fluss mit großer Kraft, mit Tosen und Sprühen in eine enge Klamm ergießt – ein großartiges Naturdenkmal.
Abendstimmung am Forggensee bei Waltenhofen
Jetzt im Sommer lockt uns das Wasser. Gleich am Ankunftstag springen wir in den Bannwaldsee. Ganz nah ist der kalkreiche, türkis glitzernde Forggensee mit seinen skandinavisch anmutenden Fjorden, ein 1954 angelegter Stausee, der vom kalten Lech gespeist wird und den man in den Sommermonaten mit einer (kleinen oder großen) Schiffsrundfahrt mit der MS Füssen oder MS Allgäu entdecken kann – oder auch mit dem Rad umrunden. Kleine Segelboote sorgen hier am fünftgrößten See Bayerns bis zum Sonnenuntergang für mediterrane Gefühle – mit Blick auf die Schlösser und die Alpen. In den Tiefen liegt der ehemals geflutete Weiler Forggen, der dem See seinen Namen gegeben hat.
Alphornbläser am ForggenseeMehr als zehn Badeseen laden in nächster Umgebung ein, allesamt mit dem Radl erreichbar, wie der stille Ober- und Mittersee in Bad Faulenbach, der etwas kühlere, schon von höheren Bergen umstandene, alpine Alatsee, der idyllische Weißensee, der flache Hopfensee mit seiner bekannten Promenade, der kleine, eher unbekannte, im Wald gelegene Faulensee in der Nähe des beschaulichen Dörfchens Rieden, der dunkelgrüne Schwansee mit seinem Seekiosk oder der erfrischende Alpsee, in dem schon König Ludwig zu schwimmen pflegte. Hier baden wir in dem bereits im Jahr 1900 eröffneten Seebad: eine Oase der Stille unweit des touristischen Schlösser-Trubels. Erhabener geht’s nicht.
Doch was macht den Zauber aus? Was ließ Ludwig II. hier seit 1869 seinen mittelalterlich anmutenden, von der Eisenacher Wartburg inspirierten Prachtbau Neuschwanstein errichten? Diese von außen mehr noch als von innen faszinierende, ja erschreckende Architekturfantasie, die immer wieder den Blick auf sich zu lenken versteht? Diesen so herrlichen wie überspannten, scheinbar aus einer anderen Welt in die Schwangauer Landschaft gefallenen Architekturtraum? Das berühmteste Bauwerk des Historismus? Die Architektur Ludwigs II. war eine Gegenarchitektur, eine Theaterwelt, eine gebaute Flucht aus der Moderne, aus den politischen Verpflichtungen des Regenten. Hier – in dieser Traumkulisse – wollte sich Ludwig wie ein mittelalterlicher Herrscher fühlen, wie ein barocker Absolutist. Das Ende, seine Entmündigung, all das ist bekannt. 1886 fand Ludwig im Starnberger See auf mysteriöse Weise den Tod. Doch sein Ruf überdauert die Zeiten, sein Schloss wurde zu einer Ikone der Weltarchitektur.
Schloss Neuschwanstein
Ludwig war müde von seinem Amt, von den repräsentativen Pflichten als König von Bayern. Er sah sich als Monarch von Gottes Gnaden, sehnte sich nach einer absolutistischen Macht, die es im Deutschen Reich unter Kaiser Wilhelm I. für ihn nicht mehr gab. Bei der Ausrufung des von Preußen dominierten Kaiserreichs im Spiegelsaal von Versailles 1871 war er nicht anwesend. Er trat nicht zurück, doch flüchtete sich in seine vielfältigen Bauprojekte.
Und eine Reise nach Füssen und Schwangau hat etwas von einer Flucht. Denn wir wissen zwar: Die heile Welt gibt es nicht, gab es noch nie, doch hier, ganz im Süden Bayerns, da kommt man schon mal ins Zweifeln. Hohenschwangau in der Abendsonne, Neuschwanstein, der Alpsee, das Ammergebirge: Das sind atemberaubende, die Zeit übergreifenden Bilder einer romantischen Landschaft, die man, hat man sie einmal gesehen, nie mehr vergisst.
Tretboot auf dem AlpseeUnd Ludwig II., der „Kini“, den vergessen die Bayern auch nicht. Noch immer wird er von den Mitgliedern der vielen bayerischen König-Ludwig-Vereinen verehrt, steht er doch für eine bessere, gute alte Zeit. Im 2000 erbauten Füssener Festspielhaus am Ufer des Forggensees spielt man seit Jahren das Erfolgsmusical „Ludwig²“, das von Konstantin Wecker mitkomponiert wurde. Ein Triller. Ein Melodram.
Ein ganz anderes leidenschaftliches Erinnern an den König, den bayerischen Schwan, den Schwanenritter: Wir besuchen am 13. Juni eine stimmungsvolle Gedenkmesse zum Todestag König Ludwig II. in der barocken Kirche St. Coloman in Schwangau am Fuß der Berge. Die Kirche ist voll. Die Vereine tragen ihre Fahnen in die Kirche. Der Pfarrer ist ein wenig nervös, das Herz schlägt ihm bis zum Hals, gibt er offenherzig zu: Es ist seine erste König Ludwig-Gedenkmesse. Man dankt dem König noch heute und hält ihm die Treue.
Genau vor 137 Jahren ist er gestorben, wurde ermordet – wie viele Königstreue heute noch glauben. Er selbst hielt nicht viel von der Zeit, in der er lebte. Sein ganzes Leben als Regent war ihm eine Zumutung. Er flüchtete in Kunst, Theater, Architektur, Oper, die Musik Richard Wagners, die er maßgeblich förderte: „Oh, es ist notwendig, sich solche Paradise zu schaffen, solch poetische Zufluchtsorte, wo man auf einige Zeit, die schauderhafte Zeit, in der wir leben, vergessen kann.“ Ruhe fand der König seiner Träume nur hier, in dieser auserwählten Gegend.